Ein Grund zum Feiern

Die SPD wird 150 Jahre alt und feiert sich selbst in schwarz-rot-gold. Wundervoll. Ich möchte auch mitfeiern, seit ich dieses schöne Filmchen gesehen habe:

Böse Zungen sagen ja oft und laut „Wer hat uns verraten – Sozialdemokraten“. Das traf ja irgendwie auch zu, solange die SPD sich als Teil der Arbeiter[innen]bewegung begriffen hat. Heute kann die SPD niemanden verraten, denn die ArbeiterInnenbewegung ist ihr völlig Wurst und kommt höchstens noch als historische Klamotte vor. 1921, als das noch nicht so war, hat Tucholsky ein schönes Gedicht geschrieben:

Sozialdemokratischer Parteitag

Wir saßen einst im Zuchthaus und in Ketten,
wir opferten, um die Partei zu retten,
Geld, Freiheit, Stellung und Bequemlichkeit.
Wir waren die Gefahr der Eisenwerke,
wir hatten Glut im Herzen – unsre Stärke
war unsre Sehnsucht, rein und erdenweit.
Uns haßten Kaiser, Landrat und die Richter:
Idee wird Macht – das fühlte das Gelichter …
Long long ago –
Das ist nun heute alles nicht mehr so.

Wir sehn blasiert auf den Ideennebel.
Wir husten auf den alten, starken Bebel –
Wir schmunzeln, wenn die Jugend revoltiert.
Und während man in hundert Konventikeln
mit Lohnsatz uns bekämpft und Leitartikeln,
sind wir realpolitisch orientiert.
Ein Klassenkampf ist gut für Bolschewisten.
Einst pfiffen wir auf die Ministerlisten …
Long long ago –
Das ist nun heute alles nicht mehr so.

Uns imponieren schrecklich die enormen
Zigarren, Autos und die Umgangsformen –
Man ist ja schließlich doch kein Bolschewist.
Wir geben uns auch ohne jede Freite.
Und unser Scheidemann hat keine Seite,
nach der er nicht schon umgefallen ist.
Herr Weismann grinst, und alle Englein lachen.
Wir sehen nicht, was sie da mit uns machen,
nicht die Gefahren all …
Skatbrüder sind wir, die den Marx gelesen.
Wir sind noch nie so weit entfernt gewesen,
von jener Bahn, die uns geführt Lassall‘!

(zum Görlitzer Parteitag)

das Gleiche nochmal mit Musik:

1921 war die Revolution grade niedergeschlagen worden – mit tatkräftiger Hilfe des rechten SPD – Flügels. Die Reichswehr und Freikorpverbände hatten in den ArbeiterInnenbezirken (z.B. Friedrichshain) Massaker angerichtet und sich für die Rückendeckung der SPD/Zentrum/DDP – Regierung mit dem Kapp-Putsch bedankt. Der Putsch wurde von einem beeindruckenden Generalstreik buchstäblich lahmgelegt, die Regierung also von eben jenen ArbeiterInnen gerettet, auf die sie gerade noch hatte schießen lassen. Was sie – kaum gerettet – auch wieder tat, als ein Teil der streikenden ArbeiterInnen mehr wollte – ausgeführt von denen, die grade geputscht hatten.

Tusch!

Ein Hoch auf die SPD!

Bei solchen Geschichten (von der Gegenwart möchte ich jetzt nicht reden) fällt es nicht leicht zu glauben, dass die SPD auch Mitglieder wie Johann Most oder Rosa Luxemburg hatte. Aber damit hat die Partei ja auch aufgeräumt.

Wegen all dem bedauere ich sehr, dass Atze Wellbech nicht mitfeiern kann (und wenn nur sehr kurz). Wir feiern nämlich in Plauen ein Terrassenfest auf dem Schuldenberg. Wer verrät uns nie? Jaja, ihr wisst schon.