In einem Altbau in der Dortmunder Nordstadt. Ein geräumiger Laden. Hier und da ein paar Bücher, Broschüren und vegane Produkte. Der Laden hat eine Weile leergestanden. Davor war eine Spielhölle. Und jetzt – gestern offiziell eröffnet – das Black Pigeon, eine Art anarchistischer Nachbarschaftsladen.
Die Nordstadt hat als altes dortmunder Arbeiter*innenviertel eine lange Geschichte: Arbeiterbewegung, Zentrum des Jugendwiderstandes der dortmunder Edelweißpiraten gegen den Faschismus. Aber seit Ende der 70er Jahre auch SS-Siggi und die Borussenfront, zwischenzeitlich ein FAP – Büro am Borsigplatz. Ansonsten ist der Kiez geprägt von einer Mischung aus MigrantInnen und deutschem (Sub)Proletariat. Ein bisschen wie Neukölln vor 15 Jahren aber eben Ruhrgebiet.
Zwischen Cafe und Kuchen sitze ich vor dem von Nazis eingedepperten und nottdürftig geflickten Fenster und rede mit Karsten:
Wie kamt ihr auf die Idee, den Laden zu eröffenen?
Die ursprüngliche Idee einen Buchladen aufzubauen entstand an unserem WG Küchentisch. Wir hatten bereits einige Zeit kleine Infotische bei Veranstaltungen gemacht. Aber einen kleinen Buchladen zu realisieren, darin sahen wir großes Potential. In Dortmund gab es zu diesem Zeitpunkt wenig Möglichkeiten sich tagsüber in angenehmen Räumlichkeiten frei von Konsumzwang auf zu halten. Zufällig stießen wir kurze Zeit nach unserer kleinen WG Träumerei auf das Städtische Projekt „Concordiart“ ein kreatives Kaufhaus direkt am Borsigplatz welches sich grade in der Gründung befand. Dort sind wir dann in einem kleinen mietfreien Raum untergekommen und konnten so überhaupt erst unseren Buchladen zu realisieren. Das Concordiart ist eine für viele ersteinmal skurril wirkende Mischung aus verschiedenen Anbieter*innen. Von Büchern über Lebensmittel und Kunst bis hin zu ganzen Särgen ist dort vieles erwerbar. Wir stehen der Idee dieses Kaufhauses durchaus kritisch gegenüber da es ein Teil der Aufwertungspraxis der Stadt ist. Aber das Concordiart hat uns den Weg geebnet ein Stückweit aus einer Szene Realität aus zu brechen und ohne die Zeit im Concordiart gäbe es jetzt kein Anarchistisches Zentrum.
Um auf die eigentliche Frage zurück zu kommen: Nach jetzt über 2 Jahren im Concordiart war es für uns Zeit einen neuen Schritt zu gehen. Wir wollten eigene Räumlichkeiten, die auch vom Sinn und Zweck her deutlich erweitert sind. Deswegen haben wir eine Crowdfounding Kampagne gestartet durch die wir 7000 Euro gesammelt haben. Mit diesem Geld haben wir uns jetzt in unsere neuen großen (180qm) Räumlichkeiten gestürzt die wir zusammen mit einem befreundeten Fotokünstler angemietet haben. Die Idee hinter dem neuen Zentrum ist einerseits das er natürlich Platz für den Buchladen bietet und unser erweitertes Angebot mit veganen Produkten. Andererseits schaffen wir mit dem Raum vor allem eine Art Soziales Zentrum für die Nachbarschaft und für alle Menschen die sich antiautoritären Ideen verbunden fühlen. Wir haben Mo.-Fr. von 12-18 Uhr auf und werden regelmäßig Veranstaltungen anbieten, wie Vorträge, Lesungen, Liedermacherabende uvm.
Ihr hattet ja in der letzten Zeit massive Probleme mit Nazis. Was ist konkret passiert?
Wir hatten zwei Anschläge von Nazis auf unseren Laden, die uns unsere großen Frontscheiben eingeworfen haben. Darüber hinaus haben sie eine Kampagne gegen unseren Vermieter gestartet um ihn unter Druck zu setzen, damit dieser unser Mietverhältnis kündigt. Aktuell wird dies nicht passieren. Am Tag der Eröffnung des Zentrums haben sie auch eine Kundgebung mit 35 Menschen in der Nähe des Ladens abgehalten.
Wer sind diese Leute? Kommen die aus der Nordstadt?
Wer konkret unsere Scheiben eingeworfen ist nicht bekannt. Der Großteil der Dortmunder Faschisten wohnt in dem Stadtteil Dorstfeld. Aber ja, durchaus wohnen auch organisierte Nazis in der Nordstadt und unserer unmittelbaren Nachbarschaft.
Ich hab auf Eurem Wünschdirwaszettel gesehen, dass sich jemand SS-Siggis Krückstock in eurem Schaufenster wünscht. Was hat SS-Siggi mit der Nordstaft zu tun?
Das Hafenviertel ist seit vielen Jahren das Wohnumfeld von dem Faschisten Sigfried Borchardt. Vor allem in den Hochzeiten der „Borussen Front“ (eine Nazihooligangruppierung) war die Nordstadt das Haupt Agitationsfeld der Nazis. Die Dortmunder Nazi Szene weist eine gewisse Kontinuität auf, es ist also nichts neues das es eine gut organisierte Szene gibt. Auch wenn Politik und Polizei sich in schöner Regelmäßigkeit überrascht zeigen – Dortmund hat ein Naziproblem seit Jahrzenten.
Ihr wollt ja einen Laden nicht nur für die „Szene“. Wie stellt Ihr Euch das vor?
Wir haben bereits in den letzten Tagen das Gespräch mit der Nachbarschaft gesucht und diese zu unserem ersten Nachbarschaftscafe eingeladen. Wir wollen Angebote schaffen die für viele Menschen interessant sind wie z.B. kostenlose Nachhilfe. Wir geben uns auch Mühe den Raum Raum offen und einladend zu gestalten. Es soll eben kein Autonomes Zentrum werden was vollgekleistert und abgeranzt (nicht unbedingt abwertend gemeint) ist. Sondern so gestaltet sein das sich am besten alle Menschen wohl fühlen. Wir haben auch verschiedene andere Freizeit Angebote wie Kicker und Tischtennis, wenn sich das im Viertel rum spricht kommen sicher viele Leute auch dafür vorbei.
Welche Unterstützung könnt ihr gebrauchen? Darf man bei Euch mitmachen?
Wir klären gerade ab ob wir eine neue Spendenkampagne starten um die Kosten der Nazianschläge zu decken. Wir können auf jeden Fall jetzt schon jede Spende gebrauchen. Ansonsten, macht das Projekt bekannter, kommt vorbei, nutzt den Raum für eure Veranstaltungen und eure Vorstellungen. Wenn ihr nicht aus Dortmund oder der Nähe seid, fänden wir es klasse wenn ihr unser Konzept aufnehmt und in euren Städten anarchistische Zentren aufbaut. Wer bei uns mitmachen möchte kommt am besten zu unserem öffentlichen Plenum jeden zweiten Donnerstag im Monat ab 19 Uhr im Zentrum.
Danke. Viel Erfolg!
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