Das Geld auf der Straße

Als passioniertem Straßenmusiker und Teil der von Klaus dem Geiger mitgegründeten RAK, bleibt mir eigentlich gar nichts anderes übrig, als dieses wunderbare Tondokument, das dankenswerterweise von Tagtraumbomben gestreamt wurde, weiterzuverbreiten.

Zumal die Straße ja nicht nur eine große Vergangeheit, sondern auch eine wundervolle Zukunft hat. Zumindest teilweise vom CD-Verkauf zu leben, klappt jedenfalls nicht mehr. Mag sein, dass die CD ein veraltetes Medium ist. Doch was ist die Alternative?
Ein Text, der die Situation sehr eindrucksvoll beschreibt, stammt von Jean von Guts Pie Earshot, die für mich immer auch Vorbilder waren, wenn ich mich gefragt hab, wie ich von Musik leben könnte, ohne mich allzusehr zu verbiegen:

[…]wir sind einfach finanziell am ende – persönlich und als band…. und müssen uns was anderes aufbauen um persönlich leben zu können.

dass wir seit 2007 von unserer musik (über-) leben ist ja kein geheimnis, und es war ein schöner abschnitt unseres lebens.

ganz ehrlich:
es funktioniert so nicht mehr.

wir hatten lange zeit das glück, dass es zu zweit noch irgendwie zu stemmen war, wir eine tolle stabile base und unterstützung von vielen leuten hatten und haben, aber… die zeit in der wir unsere minimalgage durch kartonweise cd / lp verkäufe ausgleichen konnten, die zeit der „physikalischen“ tonträger verkäufe… ist so vorbei.

da nützen auch die durchweg positiven bis begeisterten reviews unserer neuen cd nichts… wenn die bestellungen marginal bleiben.

auch uns hat dann doch die reallität von spotify, youtube, soundcloud etc… eingeholt – davor können wir unsere augen nicht verschliessen.

dass wir selbst auch die illusion hatten den verlust über den mehrwert höherer besucher_innen zahlen wett machen zu können wenn wir alles einfach kostenlos bei soundcloud reinstellen… das hat sich nicht bewahrheitet. dafür machen wir vielleicht zu spezielle musik.

und so haben wir einen haufen schulden bei unserem label, und die desillusion der digitalen blase.

inmitten von angeblichen erfolgstories nach amerikanischem strickmuster (der tellerwäscher mythos) dank youtube oder so jetzt gross rauszukommen … zweifeln wir mehr und mehr die vielfältigkeit dessen an und konstatieren eine selbstzensur und inszenierungszwang auch sehr befreundeter bands wie auch bei uns.

längst gehorchen die plattformen ja kapitalistisch auswertbaren parametern. und so ist ein wettstreit zwischen den bands entbrannt welche strategie sich auf diesen plattformen am besten bewährt in der hoffnung auf klicks und eine erfolgstory.

das geld bleibt aber dann bei den plattfformen… die letztendlich ja google, amazon, facebook oder apple sind.

es tut so gut das aussprechen zu können, und sich mal den durchhalteparolen und den selbstbeweihräucherungen auf der suche nach klicks und kicks zu verweigern.
in einer zeit in der sich jeder selbst castet, das netz von selfies platzt, fühlen wir uns fremd weil wir weiterhin authentisch bleiben wollen – und das nicht angesagt ist.

es tut gut den druck rauszunehmen mithalten zu wollen in dem zwang hip und erfolgreich sein zu müssen für ein paar klicks mehr, die immer virtuell bleiben werden. wir können uns davon kein brot kaufen, keine instrumente, keine miete bezahlen.

die downloadzahlen und verkäufe bei den online plattformen hören sich gut an für eine undergroundband- als cd oder platte verkauft könnte man sogar ein bisschen seine alltagskosten bestreiten, aber… verdienen tun einfach andere daran.
nicht wir.

der traum als diy indi-underground band mit so wenig anbiederung an den mainstream wie möglich weiterhin davon leben können ist ausgeträumt.
da hilft auch kein crowdfunding, und keine mega bezahl-postings auf facebook und wir wollen nicht unsere eigene struktur auspressen. [… den ganzen Text gibts auf der Facebookseite]

Interessant ist auch, daß der Text mit einem Link zu einem Artikel aus der De:Bug mit dem schönen Titel „Streaming ins Nichts“ verbunden war, und Facebook sich geweigert hat, den Link weiterzuverbreiten – ganz als wollten sie hinzufügen, dass die im Artikel vorhergesagte Monopolisierung nicht nur das Geld, sondern auch die Inhalte betrifft:

[…]Die Auswege? Bundles mit Handyverträgen und Userdaten verkaufen was das Zeug hält. Aber selbst das dürfte kaum reichen. Und dann? Die großen vier, oder drei (Google, Apple, vielleicht Facebook, für Amazon könnte das schon fast zu teuer werden) übernehmen. Nicht nur sieht Vielfalt anders aus (eigentlich ist sie gar nicht mehr vergleichbar) sondern die aus einer solchen Konsolidierung entstehende Marktmacht eben auch gegenüber der Musikindustrie ist im Gegensatz zum Jetzt-Zustand eine pure Katastrophe.

Warum betrifft uns das überhaupt? Wir sind doch die guten, der Underground, die kleinen Fische mit den besseren Ideen! Weil alles jenseits eines völligen Kollaps der Musikindustrie nur dazu führen wird, dass sich die vielgerühmte Schere zwischen Millionsellern und Nixnagern nur noch weiter öffnet und die Zwangsverkäufe nichtsnutziger Musik selbst das letzte Hindernis von Zwischenmedien in eure Hosentaschen komplett überwunden haben.[…alles lesen]

Was heißt das am Ende? Sehen wir uns alle auf der Wilmersdorfer wieder und prügeln uns nicht mehr mit der Polizei, sondern untereinander um die besten Plätze? Oder entwickeln wir irgendwie eine solidarische Gegenkultur? Die müssten wir allerdings neu erfinden.

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