Schon am 13./14. September feierte die Galerie Fango im schönen Chóśebuz/Cottbus Geburtstag. Seitdem hängt da ein Zettel mit einen Text von mir an der Wand (neben vielen anderen Texten, Bildern, Collagen…). Zeit, mein Stückchen Buchstabensalat mal in die Welt zu schicken:
Wann habe ich eigentlich die Fango kennengelernt? Fragen über Fragen. Wenn ich mich recht erinnere, war es Annika aka Marianne Kleinschmidt von der legendären B-Gala und den “Fickenden Turnschuhen” in Berlin, die mir davon erzählte. Die B-Gala war eine Mischung aus Improvisationsschauspiel und Varieté, die “Fickenden Turnschuhe” eine Hausbesetzerpunkband und wenn Annika erzählte, dass die Fango ein guter Ort zum Spielen spielen sei, dann war das vielversprechend. “Ist zwar ne Galerie, aber nicht wie du denkst”, hatte sie gesagt. In den folgenden Jahren verschlug es micht nicht in die Fango, aber ich hatte eine klare Vorstellung wie sie aussieht: Ich stellte mir einen kohlegrauen, leicht bröckelnden Altbau vor, unten ein Ladenlokal mit Stuck an der Decke und alten breiten Dielen in fast quadratischen Räumen. Bevölkert wurde das Ganze von langhaarigen Ostkünstlern, die sich mit jüngeren Kunstpunks mischten und beim Betrachten von neodadaistischen Kunstwerken neuentwickelten Cottbusser Bands lauschten, die stilistisch an “Expander des Fotschritts” oder “AG Geige” anknüpften. Natürlich lauschten auch “Sandow”. Sie lauschten unspektakulär in ihrem natürlichen Habitat. Eine Konservendose eines untergegangenen Milieus …
Als ich das erste mal in der Fango Musik machte, war es natürlich ganz anders. Die Leute waren jünger und offener als in meiner Vorstellung und von der etwas klaustrophobischen Konservendosenvorstellung war nichts zu spüren. Ich hatte Chóśebuz inzwischen etwas kennengelernt, hatte mit “Berlinska Droha” im Muggefug, dem Checkov, dem Bebel, dem Serbski muzej und dem Wendischen Haus, mit “Atze Wellblech” auf der Sprem und im Gladhouse gespielt. Jetzt stand ich jedoch mit Hans und Sahara vom “Kopfstand Export” im Sand und wartete auf Publikum. Das kam nur langsam getröpfelt und war bescheiden – etwa 15 Leute. Nicht alle wollten Texte und Musik unserer Lesebühne hören. Die anderen lungerten an der Bar herum, wohin es uns nach getaner Arbeit auch verschlug. Wir blieben lange. So lange, dass uns die Weiterfahrt in ein kleines Dorf bei Budyšin, am nächsten Tag unendlich weit und beschwerlich vorkam. Der Abend war der Beginn einer langen Geschichte. Fortan spielte ich wieder und wieder in den unterschiedlichsten Kombinationen in der Fango und hatte hier zuletzt eine Ausstellung mit meinen Siebdruckplakaten. Beinahe genauso oft bin ich an der Bar hängengeblieben, habe im Anschluss oben im Gästezimmer geschlafen und häufig morgens einen Kaffee oder zwei in der WG-Küche getrunken (und mich dabei über das “Tour de Zone”-Plakat gefreut, was da immer noch hängt). Die Bilder verschwimmen in meinem Kopf und ich weiß wirklich nicht mehr so genau, mit wem ich da wann welches Programm gespielt und über was ich anschließend an der Bar diskutiert habe…
Mein schönster Gig in der Fango war einer unter besonderen Umständen. Das gerade gegründete Kolektiw Wakuum veranstaltete ein Treffen alternativer Kultur im sorbischen Kontext und ich sollte ein bisschen musikalisches Begleitprogramm machen. Leider war am Tag davor ein großer Sturm, der die meisten Bahnstrecken lahmlegte. Ich schaute mittags in den Wetterbericht, stellte fest, dass der Wind von Nordwest kam und setzte mich auf mein Fahrrad. Damit ging es recht schnell voran aber ich war trotzdem froh, dass ich mich in Lübben doch in den Zug setzen konnte. In der Fango bat ich erstmal um einen vierfachen Espresso mit Rum und viel Zucker. Danach spielte ich auf dem Tresen für das durch den Sturm etwas ausgedünnte Publikum, das seine geringe Anzahl mit großer Extase wettmachte und dabei unentwegt Kirsch mit Leinöl trank. Vor allem grölten sie sorbische Sauflieder in einer vollendeten Schönheit und Eleganz mit, wie es mir nie zuvor begegnet war. Mit dem Kollektiw Wakuum verbindet mich seither auch eine Menge – aber das ist eine andere Geschichte.
Der Fango möchte ich unterdessen zum 20ten gratulieren. Ein Glück dass Ihr es bis hierher geschafft habt. Was wäre Cottbus ohne Eure spezifische Mischung aus Musik, Kunst und Schnaps den Gesprächen zur Einordnung des Weltgeschehens und der Lokalpolitik nebst den darauf folgenden erhitzten Diskussionen, wie da noch etwas zu drehen sein könnte (leider am Folgetag zu oft vergessen – ich hoffe trotzdem, wir drehen noch mal das eine oder andere!). Danke Euch und auf die nächsten 20 Jahre! K strowosći!
Paul Geigerzähler, 8. 9. 2024, Güstrow