Auf dem Rummel links

Ick sahre: “Muttacken”, sahre ick, “ick ha det deutsche Volk bei de Wahlvorbereitung studiert.” – “Besoffn biste!” sacht se. Ick sahre: “Det auch…” sahre ick. “Aber nur nehmbei. Ick ha staatspolitische Einsichten jewonn!”

Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten! – sprühten wir nachts an Häuserwände. Nichts da mit dem Ende der Geschichte! Revolution war Möglichkeit und Verheißung. Wir fühlten uns als Hüter und zukünftige Vollstrecker revolutionärer Ideale. Zugleich waren wir jedoch auch Punks und brauchten Anlass zum Krawall. Ein verworrenes Knäuel von Motivation, unentwirrbar doch versunken in der Zeit. Diese nämlich machte lauter Sachen, die wir nicht auf dem Zettel hatten. Sie ist schlicht über uns hinweggegangen. Dabei ist es nicht so, dass wir nichts versucht hätten. In meinem Fall: Von der Subkultur, zum Häuserkampf, zum Syndikalismus und zurück zur Subkultur (und alles davor natürlich auch mit drin). Das ist irgendwie eine ganze Menge und zugleich auch nicht viel. Eine Menge Wind. Die außerparlamentarische Linke existiert, hält tapfer eine schwarz-rote Fahne in den Wind. Also… sie ist anwesend, aber hat sie Einfluss auf den Fortgang der Ereignisse? Und nun?

Jetzt stehe ich hier, schaue in die Staaten und reibe mir die Augen. Scheiße! Ich schaue mich auch zu Hause um, was ebenfalls nicht unbedingt für Erbauung und optimistische Zukunftshoffnungen sorgt. Was habe ich in der Hand? Was haben WIR in der Hand? Gibt es (noch) ein „Wir“?

In dezenter Verzweiflung hab ich einen Wahlaufruf unterschrieben. Ich habe das überhaupt nicht gern getan. Zu gut kann ich mich zum Beispiel daran erinnern wie die Linkspartei in Berlin zusammen mit der SPD regiert hat. Wie sie sparten, bis es quietschte und wie sie die Wohnungen verkauften. Wie eine SPD/Linkspartei-Regierung die Liebig14 räumen ließ. Noch wichtiger ist vielleicht, dass meine ganze anarchistische Geschichte dagegen spricht, so etwas zu unterschreiben.

Trotzdem habe ich unterschrieben.

So kritisch wir die Linkspartei aus den unterschiedlichsten Gründen sehen – nicht zuletzt wegen ihrer unerträglichen Kompromissbereitschaft, wenn es ums Mitregieren ging – und sosehr wir manches an ihrem Wahlprogramm kritisieren, welches zwischen emanzipatorischen Grundsätzen und Formelkompromissen schwankt: Sie ist derzeit die einzige Partei, die im Deutschen Bundestag die Themen von sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechten und Internationalismus im Verbund mit der ökologischen Erneuerung unserer ökonomischen Lebensgrundlagen überhaupt vertritt.

https://geschichtevonuntenostwest.org/aufruf-von-ausserparlamentarischen-linken-zur-wahl-der-partei-die-linke-am-23-februar/

Den Aufruf (es gibt mehrere solche Aufrufe) habe ich nicht unterschrieben, weil der Text der ganz große Wurf wäre, der mir jetzt die Welt erklärt. Eher wegen der Integrität der Initiatoren, die aus der linken DDR-Opposition kommend, ´89 Linke blieben (zum Beispiel Heiner Müller diese schöne Rede hier untergeschoben haben), später maßgeblich am Anfang der Bewegung gegen das Hartz-Papier standen und auch die FAU im Babylon-Konflikt unterstützt haben.

Insofern: Wenn Nichtwählen etwas ändern würde, wäre es womöglich verboten. Es kostet uns wenig, mal schnell wählen zu gehen und wenigstens ein paar Widerworte auf großer Bühne zu bekommen. Das ist mehr als nichts. Den Kapitalismus abschaffen – das wird keine Linkspartei für uns tun. Das müssen wir schon selber machen!

„Un ick wer Sie mal wat sahrn: Uffjelöst wern wa doch… rejiert wern wa doch… Die Wahl is der Rummelplatz des kleinen Mannes! Det sacht Ihn ein Mann, der det Lehm kennt! Jute Nacht -!

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