Dresden wie immer. Pegida wird umarmt, Gegenprotest kriminalisiert. Es ist eben Dresden. Zum zweiten Pegida-Geburtstag möchte ich da nicht abseits stehen, sondern mit einem kurzen und prägnanten Titel gratulieren.
Soweit so schlecht. Alles ziemlich düster. Von den Zahlenverhältnissen bis zu den Bullen. Insofern wundert es nicht, dass aus dem schönen Elbflorenz auch düstere Musik kommt und das schon seit den tiefsten DDR – Zeiten.
Gestern gabs das live im Supamolly. KALTFRONT kenne ich aus den 90ern. Damals interessierte ich mich für Musik aus der DDR. Ich wollte eben kein Wessi werden. Ich habe aber schnell herausgefunden, dass der alte Ostrock zu großen Teilen langweilig, schnulzig und – für mich als 14-15 – jährigen wichtiger – bei meinen Mitpubertierenden sozial inkomatibel war. Punk hingtegen hörten viele. Ostpunk war ein Kompromiss. Und so hörte ich das ganze Zeug von FIRMA bis SCHLEIMKEIM, von ERNÄHRUNGSFEHLER bis ICHFUNKTION. Und eben KALTFRONT, deren Tapes ich in einem dresdner Plattenladen fand. Zu diesem Zeitpunkt gab es KALTFRONT auch nur noch auf Kassetten, was ich bedauerte, weil dieser Abgesang auf die DDR irgendwie auch mein Lebensgefühl als Postwende-Jugendlicher traf.
Vor ein paar Jahren konnte ich sie live in der Groove-Station in Dresden sehen und fand es so halb gut. Wie das eben so ist mit den alten Helden, die die Songs ihrer Jugend spielen. Gestern hab ichs im SUPAMOLLY noch mal probiert. Dieses war gut gefüllt und das Publikum war eine Generralversammlung der alten Punks. Beinahe jedenfalls – es fehlten auch ein paar. Für EUGENE RIPPER, der davor spielte kam ich zu spät. Dafür konnte ich KALTFRONT in voller länge betrachten und ers hat mir besser gefallen als 2005 Dresden. Druckvoll und aufgeräumt spielten sie etwa zur Hälfte alte und neue Sachen. Und obwohl mich (wie den Großteil des Publikums) die alten Songs mehr mitgenommen haben, freue ich mich, dass KALTFRONT nicht einfach stehengeblieben sind. Dann könnte ich ja auch einfach die alten Tapes hören. Ich hatte im Anschluss noch die Gelegenheit bei der Gardarobe ein wenig mit Jörg herumzulungern und ein paar Worte zu wechseln. Ich habe versucht, in meinem Notitzbuch einigermassen mitzuschreiben.
Da das Konzert mit einem Lied von PARANOIA aufhörte, das ich als Jugendlicher gehasst habe, musste ich auch gleich danach fragen:
Jörg: Mit Kaltfront hat das wenig zu tun. Es ist punkkritisch aufgrund der Erlebnisse, die wir hatten. Die kreative Phase war schnell vorbei. Bald war es nur noch Abklatsch. Wir hatten noch mehr songs wie den. Das ist auch nicht nur auf Gegenliebe gestoßen. Auch jetzt noch. Beim Ostpunk Open Air in Rochlitz hat einer gepfiffen und gerufen: „Spaltersong!“ und „Kidpunks sind auch wichtig“ oder so.
Wie kam dass eigentlich, dass Ihr nach so langer Zeit wieder zusammen gespielt habt?
Jörg: 2005 in der Grove-Station war inoffiziell. Obwohl es sich ganz gut herumgesprochen hatte. Das war auch so ein Test. Zwei Monate später spielten wir dann im Kurländer Palais, früher der Jazzklub Tonne. Eigentlich kam die Idee weniger von uns, sondern von Freunden. Zuerst wollten wir für einen Geburtstag von einem von uns spielen, das hat aber noch nicht geklappt. Daß wir wieder zusammenspielen war weder logisch noch vorhersehbar. Wir hatten uns auseinandergelebt und auch zum Teil mit der Musik nichts mehr zu tun gehabt. Das war dann eine… eine günstige Strömung, dass das zusammengekommen ist.
Wenn Du die Punkszene von heute und damals vergleichst. Was hat sich verändert und was is gleich geblieben?
Jörg: Schwierige Frage. Das „Früher“ kannte ich ja nur aus der Ostpunkperspektive. Da war im Westen ja schon mal Einiges anders. Mich würde ja mal interessieren, wie es jetzt wäre, wenn noch Osten wäre… Eigentlich hat sich äußerlich nicht viel verändert. Es gibt viel Abklatsch und es gibt diese Aufspaltungen: Hardcore, Gothic… Aber diesen Pioniergeist gibt es nicht mehr. Das ist ja wie mit Elvis. Der galt auch mal als Rebell und war dann nur noch Schlager. So ist es zum Teil auch mit Punk heute.
Was hörst Du eigentlich jetzt für Musik?
Jörg: Ne Zeit lang hab ich so 50er/60er Musik gehört. Schwarzer Blues vor Elvis. Das war im besten Sinn Schock! Ich war positiv überrascht, dass es solche Mucke vor Elvis gab. Oder so Soul, Reggae… viel altes Zeug. Wenn Bands jetzt auf 50er/60er machen ist das eher Klamauk und Kostümierung. Zur Zeit höre ich alles was runter zieht. Lustige Musik nervt mich meistens.
Es gibt ja viele alte Kaltfront – Songs, die Leute berührt haben oder sie berühren und die Ihr nicht mehr spielt. Für mich z.B. war „Karriere“ total wichtig, obwohl das jetzt musikalisch kein Weltwunder war…
Jörg: Manchmal wünsche ich mir, dass wir für manche Texte bessere Musik gemacht hätten. Wobei ich nicht weiß, ob wir das damals überhaupt konnten. Damals waren wir froh, wenn wir aus dem Proberaum kamen und drei neue Songs hatten. Die waren dann aber auch schnell zusammengebastelt. Heute haben wir ein paar alte Songs neu gebaut. Ist aber immer die Frage wieviel Arbeit in man in die alten Songs steckt.
Es gibt auch Leute, die finden, daß das auf den alten Kassetten besser geklungen hat. Ist für mich ganz interessant, was für Eigenschaften die Leute so nennen. Am Ende sollten wir nicht versuchen etwas zu kopieren, sondern einfach unser Ding machen.
Zum Schluss: Ihr kommt ja aus Dresden und da kommt man so schlecht dran vorbei. Pegida hat Geburtstag und dieser Bachmann ist ja in etwa Eure Generation…
Jörg: Wir kennen den nicht! Aber das alles in Dresden verwundert mich nicht. Auch nich wie weit das geht. Manchmal ist es erstaunlich wer da hingeht und darüber zerstreiten sich Freundeskreise und Familien. Manche Leute waren ja sehr Überrascht. Die wohnen in der Neustadt und kommen da nicht raus. Ich wohne eher außerhalb und sehe diese Leute jeden Tag. Auch schon vor Pegida. Ich glaube Dresden ist ziemlich prädestiniert dafür.
Warum?
Jörg: Ich habe keine gute Meinung von Dresden. Es ist schwer, das genau zu beschreiben. Diese konservative nörgelige Grundstimmung gegen alles Fremde, alles Neue. Pegida ist da die logische Folge. In jeder Famlie gibt es Leute, die so drauf sind. Bei Familienfesten oder Kneipengesprächen bist du ganz schnell bei „Ausländer raus“. Die Flüchtlinge sind da nur der Anlass. Hätte es keine Flüchtlinge gegeben, hätten sie was anderes gefunden…
Jetzt kommen Jörgs Kollegen mit der Technik vorbei. Jörg entschuldigt sich und trägt mit. Danke für das Interview! Ich hoffe, ich hab alles halbwegs gut wiedergegeben. Das Supamolly hat sich unterdessen deutlich geleert. Trotzdem treffe ich noch ganz alte Freunde mit denen ich noch langsam durch Friedrichshain schlendere… Schöner Abend! Danke KALTFRONT!
Eigentlich hätte ich Jörg gern noch ein paar Sachen gefragt. Z.B. wie er die ganzen neu herausgekommene Reflektionsliteratur zur Wende sieht. Gerade 89/90 von Peter Richter, dass ja in Dresden spielt und in dem Kaltfront auch vorkommen. Von Jörg hab ich noch einen Text in der REVOLUTION TIMES (ein verblichenes rätekommunistisches Redskin-Zine aus Lübeck) über frühe Skinheads in der DDR gefunden. Auch da viel Stoff für lange Interviews. Vielleicht besser so – wer soll das am Ende alles lesen. Oder eben ein anderes Mal.
Nun muss noch ein kleiner Abspann ran. die Klarstellung am Anfang ist von KÖTERKACKE und ich habs mit Smail Shock für SOLLBRUCHSTELLEN noch mal aufgenommen.
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