Hier noch mal der letzte Artikel in deutscher Übersetzung. Bin gespannt auf heute Abend im schönen Nucknitz.
Herbst, 2012. Eine Kneipe in Berlin-Friedrichshain. Leute spielen Billard, trinken Bier und rauchen. Berlinska Dróha dazwischen. Reden auch. Über ein Trio namens Čorna Krušwa.
Paul: Kanntest du Jacke und Hanni schon, bevor wir sie in der Kufa im Frühjahr 2008 getroffen haben?
Uta: Nö, ich kannte nur Jackes Vater aus der Lausitz. Nebelschütz ist ja nicht weit von Panschwitz. Und du?
Paul: Naja, ich hatte mal mit nem Kumpel von denen in der Hospi in Görlitz zusammengespielt. Daher die connection nach Hoyerswerda. In der Kufa hab ich dann Jacke kennengelernt, weil ich ein Plakat für unser Konzert im Fischladen aufgehängt hab und er mich auf sorbsich ansprach.
Uta: Paul, wie war das für dich, als wir als Berlinska Dróha zum RAK-Treffen in Kiel 2010 gespielt haben, und da auf einmal die Hälfte von Pla-Ro plus Marczinkow als Čorna Krušwa auch aufgetreten sind?
Paul: Komisch irgendwie. Hab mich gefragt, warum die jetzt Hippie-Musik machen. Pla-Ro war doch super! Hab sie dann aber trotzdem gefragt, ob sie mit uns mit nach Polen kommen wollen.
Uta: Das war ne super Idee! Ich erinnere mich, denn ich war gleich total begeistert und fand es sehr spannend sich vorzustellen, wie das wohl wird: ne Tour in Polen mit zwei sorbischen Bands und wie das wohl beim polnischen Publikum ankommen wird, ob Leute was mit dem Sorbischen anfangen können…und ja es war eine aufregende, tolle Tour geworden.
Was hat dir am Besten gefallen, an unserem gemeinsamen Touren? Ich mein, man muss ja dann schon circa 10 Tage am Stück, á 24 Stunden zusammen abhängen…und immerhin haben wir es inzwischen auf drei gemeinsame Konzerttouren in Polen (2010, 2011, 2012) geschafft.
Paul: Es war schnell zu sehen, dass das gut zusammengepasst hat. Ich hab ja diesen ersten fast neunstündigen Horrortrip von Berlin nach Augustów auf unserer ersten Tour mit Jacke im Hundefänger verbracht, wo wir Zeit hatten, uns über Gott und die Welt zu unterhalten. Ich hab auch schnell gemerkt, dass die ein tolles Gefühl für Mucke hatten, auch wenn ich diesem Schwiegermutterrock immer noch skeptisch gegenüberstand. Als ich mich aber dann damit angefreundet hatte, haben die ja auch gleich angefangen Punkrock zu machen.
Uta: Nun ja, mir ging es ähnlich. Auch in Marczinkows altem Opel war die Stimmung mit Marczinkow, Hanni und Pjotrek extrem entspannt und unterhaltsam. Ich hatte auch gleich ein gutes Gefühl, dass Jacke, Hanni und Marczinkow ein sympathsiches Trio sind. Meine Meinung ist ja nach wie vor, wenn sich die Musiker auch so privat super gut verstehen, dann machen die auch kuhle Mucke. Das hat man schon damals beim Schwiegermutterrock, also Čorna Krušwas Anfängen, gemerkt. Und inzwischen haben sie sich deutlich weiterentwickelt. Mir fällt gerade keine andere junge Band ein, die so sympathisch ist und noch dazu so geile Musik macht. Wenn ich Čorna Krušwa heute höre, erinnert es mich an warmen psychedelischen Rock der späten Sechziger mit einer feinen Bluesnote. Und der Gitarre nimmt man den Blues voll ab. Wobei Marczinkow echt einen melodischen Bass mit groovieger Funknote spielt. Und naja, Hanni ist für den Punkrock bei Čorna Krušwa verantwortlich. Oder sehe ich das zu kategorisch?
Paul: Den Punkrock macht er nicht allein. Jackes Gitarre erinnert mich ja manchmal an die Wipers oder Dackelblut. Groovie Bassisten hatten auch schon andere Trios. Was die drei besonders macht, ist, dass sie sich live ganz großartig zusammenspielen. Und “lubosć” ist ein echter Hit! Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht bei denen. Beeindruckend finde ich auch, wie konsequent die sind, wenns um die Mucke geht. Fertige und teure Studioaufnahmen wegschmeißen, weil die Band sich weiterentwickelt hat – krasse Sache!
Uta: Dem kann ich nur zustimmen, wirklich hart.
Hey Paul, fällt dir eigentlich auf: wir heben Čorna Krušwa voll in den Himmel, in den sorbischen Himmel. Auf jeden Fall bin ich froh, dass es sowas überhaupt am sorbischen Musikhorizont gibt. Čorna Krušwa gleicht einer Perle, welche die sorbische Musikwelt noch nicht gehört hat. Das freut mich, dass es eben doch so was gibt: junge Leute mit sorbischem Background, die ihr Ding durchziehen, egal was kommt, die sich nicht plakativ als sorbische Band präsentieren, sondern es einfach machen und somit es leben.
Paul: Ich glaube, wir dürfen sie in den Himmel heben. Warum nicht? Vielleicht sollten wir sogar die Augen schließen und einen “słódki són” – süßen Traum träumen. Der Himmel ist voller Schäfchenwolken. Dazwischen fliegen drei Jungs mit ihren Instrumenten. Unten regnet es Punkrock. Wir stehen unten in den Feldern, staunen, werden nass und fangen an zu tanzen. Mit uns die Leute aus den umliegenden Dörfern. Völlig verschlammt bewegen wir uns tanzend vorwärts Richtung Bautzen. Über uns schwebt weiterhin das Trio und singt über “lubosć” – Liebe und “nadźija” – Hoffnung. Zu Bautzen überfluten wir die Seidau und Reichenstraße. Die Musiker setzen sich auf den Reichenturm, der umfällt. Niemand wird verletzt, die Band spielt weiter…
Uta: …weiter, weiter, immer weiter!!!
Berlinska Dróha, Berlin, im Oktober 2012
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