Drei Kleinkünstler*innen auf der Kommandobrücke

Drei bescheuerte Kleinkünstler standen auf der Kommandobrücke und schauten nach unten aufs Hauptdeck. Was hatten sie angerichtet in den vergangen 6 Jahren. Sie hatten Gott gespielt, ein kleines Universum gebaut und jetzt, wo sie denen da unten ein wenig Freiheit angedeutet hatten, wussten die nichts besseres mit dem kleinen Fitzelchen Freiheit anzufangen, als sich wild durcheinander zu prügeln. Zum Glück hatten die drei bescheuerten Kleinkünstlerinnen ihnen die Waffen abgenommen, was sicher Schlimmeres verhinderte. Neben dem Schornstein war wüstes Chaos, aus dem ab und an ein paar Tentakel auftauchten um eine weitere Person über das Deck zu Schleudern. Ein Wunder, dass – soweit die drei bescheuerten Kleinkünstler das wissen konnten – noch niemand über Bord gegangen war. In einer etwas abgelegenen Ecke konnten sie einen spannenden Zweikampf DDR gegen Nordkorea zu betrachten, wobei die DDR Schwierigkeiten hatte, sich zu behaupten. Im Klartext: Heike machte Georg fertig. Aber den drei Kleinkünstlern fehlte das sportliche Interesse an einem ausgewachsenen Martial-Arts-Event ohne Regeln. Über allem kreiste der Satellit „Unseres geliebten Führers wachsames Auge im Himmel kennt keinen Schlaf“.

Sahara: „Habt Ihr das geschrieben?“

Hanz & Paul: „Nein.“

Hanz und Paul schüttelten die Köpfe, während sich Eskobach einen Feuerlöscher gegriffen hatte und sich damit durch die Massen auf Jürgen zukämpfte.

Paul: „Ich glaube, du hättest die Rede vorhin nicht halten sollen.“

Sahara: „Warum?“

Eskobach hatte inzwischen über Jürgen den Feuerlöscher leergesprüht. Jürgen saß hustend vor dem Schornstein und versuchte sich mit Händen und Tentakeln das Feuerlöscherpulver aus den Augen zu wischen. Eskobach, getriggert vom vielen weissen Pulver drehte sich, den Feuerlöscher am Schlauch haltend, schnell um die eigene Achse. In gebührendem Abstand zum Feuerlöscherkreisbereich prügelten sich die Andern einfach weiter.

Paul: „Du siehst doch, das hier alles außer Kontrolle gerät. Die ahnen irgendwie, dass sie frei sind. Gerade die Egoisten. Die andern rennen noch irgendeiner gesellschaftlichen Utopie hinterher. Aber auch die schlagen sich hier. Es ist alles komplett aus dem Ruder geraten. Aber wir haben doch ne Verantwortung!“

Sahara: „Ne, haben wir nicht! Wir entlassen die in die Freiheit und jetzt sollen die was draus machen. Was auch immer!“

Paul: „Aber du siehst doch was daraus wird!“

Sahara: „Aber das kann und muss uns doch egal sein! Wir müssen loslassen lernen!

Paul: „Aber wir können doch nicht einfach zusehen, wie die sich gegenseitig umbringen! Das sind doch alles…UNSERE KINDER!“

Hanz: „Kinder, Kinder. Da sind wir aber auch schon vorher schlechte Eltern gewesen. Was wir denen schon zugemutet haben. Wir müssen jetzt vor allem eine Enscheidung fällen, bevor da noch mehr Blut fließt.“

Sagte Hanz und deutete auf die sich immer schneller drehende Symbiose aus einem entlassenen Ordnungsamtsmitarbeiter und einem Feuerlöscher.

Hanz: „Wollen wir da jetzt einfach abhauen und die da unten ihrem Schicksal überlassen, oder wollen wir was tun? Wir könnten…

In diesem Moment hatte sich Eskobach zu schnell gedreht, war ins Straucheln gekommen und hatte dabei den Feuerlöscher losgelassen. Der Feuerlöscher flog, gefolgt von den Blicken des gesammelten Kopfstanduniversums auf die Kommandobrücke zwischen Hanz und Sahara scherbenklirrend ins Steuerhaus hinein.

Nun war Ruhe. [kurze Pause] So richtige Ruhe. [kurze Pause, fast flüsternd weiter] Selbst der Satelit war stehengeblieben und nur von Ferne war eine Möwe zu hören. Die Ruhe währte nur kurz.

„DA SIND SIE! DIE SCHWEINE!“

Schrie ein Mann mit Jeansjacke, der verwirrt aussah, dieses auch war und doch immer ganz genau wusste was er wollte. Vor allem auch wo der Feind war. Da waren die drei bescheuerten Kleinkünstlerinnen selber schuld. Sie hatten ihn schließlich erst erschaffen.

„DIE HABEN UNS DAS ALLES EINGEBROCKT! OHNE DIE HÄTTEN WIR NIE PROBLEME IM LEBEN GEHABT!“

Recht hatte er. Das mussten auch die drei bescheuerten Kleinkünstlerinnen zugeben. Die Leute unten, zerschlagen und zerschunden aber immer noch voller Adrenalin, sahen so aus, als als ob sie das genauso sehen würden. Wütende Blicke richteten sich auf die Kommandobrücke samt Insassen und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Wut Taten folgen würden.

Hanz: [panisch]: „Sahara, schreib mal was.“

Sahara: „Was denn jetzt?“

Hanz: „Na dass die alle unter Deck gehen sollen. In ihre Kajüten. Ruhe und Ordnung und so.“

Sahara: „Vielleicht besser. Habt ihr mal nen Stift?“

Hanz und Paul: „NEEE!“

Erschrocken schauten sich die drei bescheuerten Kleinkünstler an.

Alle: Lass uns abhauen!

Angeleitet von Müller Heinz, der – das wussten bisher noch nicht einmal die drei bescheuerten Kleinkünstler – einst Feldwebel bei der NVA gewesen war und in bellendem Tonfall militärische Befehle gab, formierten sich Gruppen zur Erstürmung der Kommandobrücke. Vorausschauenderweise hatten die drei Kleinkünstlerinnen vorher schon eine Strickleiter und ein motorisiertes Beiboot herbeigeschrieben. Flink kletterten die 3 hinunter und warfen den Motor an. Mit knatterndem Dieselmotor und unter dem wütenden Fluchen des versammelten Kopfstanduniversums fuhren sie in den Nebel hinein und auf davon.

Wohin?

Das werden sie später einmal schreiben, singen und schreien. In Drehbüchern oder Songtexten, Musikvideos, im Spreetunnel, Hollywood oder der brandenburger Pampa. Wenn Corona vorbei ist und trotzdem die Lufthansa verrottet, wenn im BER die Ratten feiern in physischer Nähe vielleicht auch mit Kopfstand. Bis dahin verliert sich ihre Spur in den unendlichen Wellen der großen weiten See…

Ein Text von mir aus dem 50. und letzten Kopfstand. Den besten Abschiedstext hat aber meine immer noch wunderbare Kollegin Sahara geschrieben. Gibs auf dem auf dem Kopfstandblog.