Dinge von gestern

Gewerkschaften sind out. Die neoliberale Propaganda hat das solange wieder und wieder und nocheinmal erzählt, bis es selbst manche GewerkschafterInnen angefangen haben zu glauben. Nun sind die realexistierenden Gewerkschaften oft tatsächlich derart grau, dass man denken könnte, sie würden der Propaganda recht geben wollen. Bürokratischer Aperat statt Selbstermächtigung und Emanzipation. Wie deprimierend! Was helfen könnte? Basisaktivität und Selbstbewußtsein.
Drauf gebracht hat mich der Schwerpunkt der Jungle World Nr. 45 vom 6. November – ein Schwerpunkt, der mich gefreut hat, weil ich mich mal mal wieder mit der Zeitung, die mir viele Bahnfahrten versüßt und manchmal auch versäurt hat, identifizieren konnte. Selbst wenn ich die Aufzählung von Ivo Bozic nicht ganz so lustig finde, wie er wahrscheinlich selbst. Wunderbar hingegen der Rundumschlag von Elmar Wigand und der Text über die Strategielosigkeit des DGB von Anja Krüger. Bei der Polemik von Markus Liske habe ich mich – passend zum Wendejubiläum – an etwas ganz anderes erinnert (soweit man sich an Dinge, die man als 11-Jähriger gesehen hat, erinnert): An die Demonstration am 4. November und die Rede vom Heiner Müller (youtube), der einen Aufruf zur Gründung unabhängiger Gewerkschaften verlesen hat.

[…]Die nächsten Jahre werden für uns kein Zuckerschlecken. Die Daumenschrauben sollen angezogen werden. Die Preise werden steigen, die Löhne kaum. Wenn Subventionen wegfallen, trifft vor allem uns. Der Staat fordert Leistung, bald wird er mit Entlassung drohen. Wir sollen die Karre aus dem Dreck ziehen!

Wenn der Lebensstandard für die meisten von uns nicht erheblich sinken soll, brauchen wir eigene Interessenvertretungen.

– Beruft Vollversammlungen ein und fordert Rechenschaft von der Betriebsgewerkschaftsleitung
– Ernennt Kollegen aus euren eigenen Reihen zu Sprechern
– Lasst diese Kollegen eure Forderungen an die Betriebsleitungen stellen
– Stellt euch hinter diese Kollegen, wenn sie Schwierigkeiten bekommen
– Macht die Ergebnisse sofort öffentlich, das schützt vor Repressalien
– Sucht den Kontakt zu Kollegen in anderen Betrieben
– Gründet unabhängige Gewerkschaften!

Wie wahr! Immer noch! Und wie weitblickend damals!