Gedankenfetzen zwischen Horka und Slepo

Auf dem Weg zurück vom “Happy Monday” in Budyšin/Bautzen und in nachdenklicher Stimmung. Das liegt nicht daran, dass die Mugge nicht ganz einfach war – ich war zu sehr Opener und Hintergrundmusik, als dass das ein Selbstläufer hätte sein können. Das kommt vor und für die gute Sache nehme ich das schon in Kauf (wenn es denn nützt). Die Veranstaltung ist wichtig – das ist keine Frage. Einfach deshalb, weil sie diejenigen sammelt, die keinen Bock auf die rechte Hegemonie haben. Das ist in BZ ein ziemlich weites Spektrum vom linken Rand der CDU bis zu den versprengten Resten vergangener linker Jugendsubkulturen. Und allem möglichen dazwischen, daneben und so weiter in verschiedenen Farben, Formen. Sprachen und Altersgruppen. Sehr divers auf bautzner Art. Aber auch klein und zusammengedrängt auf einen Kreis um den Springbrunnen auf dem Theaterplatz. Die Leute tanzen, haben Spass. Das ist enorm wichtig, gerade in der sonst bisweilen recht erdrückenden Situation, die Bautzen/Budyšin mit vielen anderen ostdeutschen Mittelstädten teilt.

Diese “Zivilgesellschaft” ist hier deutlich in der Minderheit. Auf dem Kornmarkt, auf dem sich die eigentümliche, besorgniserregende und raumergreifende Melange aus Verschwörungsideologen, Rechten und besorgten Bürgern trifft und über den ich auf dem Weg zum Bahnhof noch einmal einen Umweg genommen habe, waren mehr Menschen. Zudem waren da politische Reden, denen anscheinend konzentriert gelauscht wurde. In den 3 Minuten in denen ich mir das antat, wurde von Basisdemokratie auf Gemeindeebene gesprochen. Keine Ahnung wer das war, aber der Abschnitt den ich hörte, hätte beinahe auch auf einer Kundgebung kurdischer Konföderalisten gehalten werden können (außer der Blödsinn mit einer 10% Steuerflatrate). Natürlich wird durch Ort und Framing selbst das Richtige was sie dort sagen falsch, jedoch fürchte ich, dass die Zuhörer_innen auf dem Kornmarkt das anders sehen. Die Indoktrination und Selbstradikalisierung geht also reibungslos vonstatten, das jedoch mit beeindruckender Widersprüchlichkeit. Ein älterer Mann zum Beispiel hatte eine Aufschrift auf seiner Jacke dass die “Menschen sich nicht dazu bringen lassen” sollten, “einander zu hassen.” Leicht fassungslos war ich drauf und dran ihn zu fragen, warum er dann auf dem Kornmarkt und nicht auf dem Theaterplatz ist… Aber ich musste zum Zug.

Das Wilde ist ja, dass diese Leute da auf dem Kornmarkt (oder zumindest viele von ihnen) wirklich überzeugt sind, das Richtige für eine bessere Gesellschaft zu tun, überzeugt, eine Alternative zum jetzigen Zustand zu sein und das auf eine Art und Weise, die sich individuell stark nach Selbstermächtigung und Befreiung anfühlen dürfte (ja klar ist das Betrug, aber jede Argumentation wird gegen dieses Gefühl ins Leere laufen).
Der Theaterplatz unterdessen steht scheinbar dafür, dass alles bleibt wie es ist. Das ist deshalb so fatal, weil es gesellschaftlich ja wirklich nicht so weitergehen kann (und nicht wird!), während diese Kornmarkt – “Alternative” alles nur noch schlimmer macht – jetzt schon! – ohne dass sie in der Regierung sind.

In dieser Gemengelage ist jeder Gedanke an irgendetwas jenseits dieser falschen Alternativen bereits zu Staub zermahlen. Und jetzt?

Jetzt ein Perspektivwechsel:

[…]Es ist wirklich noch ein weiter Weg in Bautzen. Ich bin jedoch zuversichtlich. Vor 10 Jahren wäre ein Happy Monday gar nicht möglich, Leute die heute auf dem Platz stehen noch gar nicht bereit. In der Außenperspektive sind es wirklich wenig Leute, in der Innenperspektive richtig viel. 250 Menschen in Bautzen für Werte wie Pluralität und Gleichheit auf die Straße zu bringen ist viel.

Es ist ziemlich deutlich, dass der “Happy Monday” eine Art Rettungsanker ist diejenigen ist, für die die rechte Landnahme aus den unterschiedlichsten Gründen eine Bedrohung darstellt. Das löst sicher nicht alle Probleme, ist auch noch nicht der Hebel mit dem der Trend wieder umgekehr werden kann, ist aber wohl Voraussetzung für alles Weitere. Wer soll denn ohne die Selbstermächtigung, sich trotz rechter Hergemonie nicht zu verstecken, Strategien gegen diese entwickeln?

Bei allem Ungelösten. Das ist es wert.

PS.: Es ist nicht das erste Mal, dass ich dazu schreibe. Es treibt mich eben um. Hier zum Beispiel: https://geigerzaehler.info/2024/08/13/hocke-ist-ein-wessi/

PPS.: Vielleich wäre ja eine Art Wortergreifungsstrategie von links tatsächlich eine Idee? So wie dieser Schüler in Sachsen Anhalt?

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