Alles Gute, KvU!
Der Blues – unangepasste rotweintrinkende Langhaarige als Gegenentwurf zum grauen Fordismus realsozialistischer Prägung. Die große Gegenkultur in der DDR vor Punk. Mittendrin Freygang: DER BLUES MUSS BEWAFFNET SEIN! Ist er das? Anscheinend schon. Die DDR ist jedenfalls Geschichte.
Der bewaffnete Blues
Langhaarige auch im Westen. Lehrlinge in Westberlin und anderswo. Der BLUES besorgt sich Knarren und wird zum 2. JUNI. Aus kulturellem Gegenentwurf zum Fordismus westdeutscher Prägung wird Stadtguerilla. Gegen Kapitalismus, gegen Imperialismus und immer etwas mehr auf dem Teppich als die RAF. Erschreckend für die Behörden: Die breite Unterstützung.
Ein paar Jahre später:
In die schon bröselnde DDR fällt die KvU vom Himmel der Offenen Arbeit (mit großem O). Sanft schwebt sie über den Kirchentag mit Veranstaltungen zu wichtigen Themen wie „War Jesus ein Anarchist?“ – in feinster Kombination mit Blues- und Punkkonzerten. Und sie erzwingt eine Art autonomes Zentrum mitten im zerfallenden Postspätstalinismus, vereint Solidaritätsveranstaltungen für die Gefangenen aus der RAF (BRD) mit Mahnwachen gegen das Massaker am „Platz des himmlischen Friedens“ (China) und der Aufdeckung der Wahlfälschung (DDR). In der KvU wird die erste Antifagruppe Ostberlins gegründet, während der „erste sozialistische Staat auf deutschem Boden“ noch so tut als wäre nichts.
Noch ein paar Jahre später:
Die Wendeanarchie ist längst vorüber. Der Traum ist aus, die besetzten Häuser geräumt, legalisiert und zerstritten. Nur manchmal rumort es – wenn trotz Legalisierung geräumt wird. Die KvU macht solidarisch Punkkonzerte und manchmal mehr. In ihren Anfang der 90er bezogenen Räumen hat sie sich zu diesem Zweck einen hübschen Keller gebastelt. Das könnte alles seinen Gang gehen, wenn nicht so ein Immobilienheini finden würde, dass er in Mitte mehr Geld verdienen kann, wenn er statt der KvU ein paar Lofts verkauft. Anschließend gibt es Demos, Gerichtsprozesse, Strategiedebatten und Beharrlichkeit gegen Räumungsdrohungen. Irgendwann möchte der Eigentümer den Strom abdrehen. Ein kleiner Freundeskreis am Rande der KvU denkt: Das müssen wir ausprobieren! Tausend Bands im Kerzenschein! Es werden nur etwas weniger als 20 Bands und SolokünstlerInnen.
ALLES GUTE ZUM DREISSIGSTEN, KvU!
So viele Leute in den HEILIGEN HALLEN. So viel gefeiert, gesoffen und rebelliert. Soviele Leute in diesen Räumen und den Räumen davor. Zuviele auch, die nicht mehr mitfeiern können. Die Erde ist ihnen hoffentlich leicht. Was ist übrig vom BLUES, was vom 2. JUNI? Käme BENNO OHNESORG mit der Ringbahn zur Feier – er wäre 76 Jahre alt. Von Maden zerfressen auch KURRAS, diese Verkörperung des hässlichen Deutschlands – Mörder, Bulle, Autoritätsfetischist, Waffenfreak und bei der Stasi im Nebenberuf.
Was bleibt von den Revolten? Haben sie nicht ungewollt auch geholfen, den Fordismus in Ost und West gegen eine noch beschissenere Variante kapitalistischer Vergesellschaftung zu ersetzen? Den Kapitalismus modernisiert, statt ihn abzuschaffen? Statt Aufruhr und Rebellion die Angst, von der Gesellschaft ausgespuckt zu werden? Allein, atomisiert, zurückgeblieben – im Rattenrennen der Selbstvermarktung im individuellen Arbeitskraftunternehmertum. Keine Solidarität nirgends?
Wohin mit den alten Träumen im postfordistischen Allerlei? Wohin mit der kulturellen Rebellion im neoliberalen Vermarktungszwang?
Was ist jetzt mit den Versprechen aus den alten Revolten?
Wo ist denn jetzt die Freiheit?
Nehmen wir die Fäden auf. Spinnen wir sie neu und anders. Spinnen wir sie heute!
DER BLUS MUSS BEWAFFNET SEIN!
PS: Der Autor war bei den ersten beiden Schlaglichtern nicht dabei, ein paar Jahre später konnte er mit kindlichen Ohnen schon ein entferntes Echo vernehmen. Den Rest hat er selbst miterlebt – eher als Randfigur der heiligen Hallen.
30 Jahre KvU wollen auch gefeiert werden. Das wird mit einem ganzen Stapel Veranstaltungen passieren. Auftakt ist das KvU – Unplugged am 2. Juni. Ganz im Sinne des Weiterspinnens Soli für die Prozesskosten gegen die KAUFHALLE DER SCHANDE. Sehr interessant dürfte auch die Buchvorstellung „30 Jahre Antifa in Ostdeutschland“ werden
Letzte Kommentare